Braucht es in Zukunft noch Banken?

„Banking is necessary, Banks are not“, äußerte Bill Gates bereits 1994. Eine Aussage, die damals von den meisten Bankern eher belächelt wurde. Heute, im Jahr 2016, müssen sich Banken stärker denn je die Frage nach ihrer Existenzberechtigung stellen. In den letzten Jahren wurden viele Branchen und Geschäftsfelder durch die Digitalisierung umgewälzt. Unter dem Schlagwort disruptiv sind neue, digitale Geschäftsmodelle entstanden und haben etablierte Unternehmen ersetzt. Die Printmedien und die Musikbranche waren die ersten, deren altes Geschäftsmodell von der Digitalisierung betroffen war. Folglich stellt sich immer öfter die Frage, ob nicht auch Banken ihr Geschäftsmodell neu überdenken müssen, um langfristig überleben zu können.

Das Geschäftsmodell der Banken hat sich in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt

Trotz Onlinebankings und immer komplexeren Finanzderivaten hat sich das Geschäftsmodell der Banken in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt – digitale Innovationen: Fehlanzeige. Im Gegenzug dazu scheint die Innovationskraft vieler FinTechs ungebremst und dank steigender Investitionen können diese ihre Marktanteile immer weiter ausbauen.

Hinzu kommt, dass immer weniger gut ausgebildete, junge Menschen ihre Zukunft in einer Bank sehen und stattdessen versuchen, bei einigen großen Playern aus dem Silicon Valley oder einem innovativen Start-up unterzukommen. Zahlungsdienstleister wie PayPal führen dazu, dass gerade junge und digital gebildete Menschen immer öfter die Notwendigkeit von Banken hinterfragen, da Alternativen zu klassischen Bankdienstleistungen immer bequemer und kostengünstiger werden.

Gleichzeitig haben insbesondere kleinere Banken, wie beispielsweise Sparkassen, große Mühen, die geforderte Regulatorik nach Basel III umzusetzen und sind mit dem Aufwand und den Kosten überfordert. Als Folge entsteht eine immer größere Asymmetrie zwischen global agierenden, digitalen Finanzunternehmen und regionalen Banken. Das Niedrigzinsumfeld erhöht zusätzlich den Druck auf die Banken, da sich der Großteil aller Einnahmen aus dem Zins- respektive Kreditgeschäft erschließt. Die Kombination einer immer stärker werdenden digitalen Konkurrenz und dem gleichzeitigen Wegbrechen entscheidender Zinseinnahmen torpediert die Idee der Universalbank, wie sich an dem Aktienkurs vieler Banken erkennen lässt.

Dezentralität

Die größte Gefahr geht langfristig allerdings nicht, wie viele denken, von der Digitalisierung direkt aus, sondern vielmehr von dem Konzept der Dezentralität. Auf den Zahlungsverkehr angewendet bedeutet Dezentralität, dass Transaktionen nicht von einem zentralen Akteur gesteuert werden müssen, sondern direkt und ohne Umweg von Person A zu Person B geschickt werden können. Die Bank als zentraler Vermittler bzw. Treuhändler ist durch die Nutzung dezentraler Lösungen nicht mehr notwendig. Die Logik eines dezentralen Netzwerks besteht also darin, sich ohne die administrative Steuerung eines zentralen Akteurs selbst zu organisieren. Genau hier liegt die zukünftig größte disruptive Gefahr für Banken, da die Nutzungsmöglichkeiten weit über den Zahlungsverkehr hinausgehen und auch andere Geschäftsbereiche einer Bank ins Visier nehmen können. Konkrete Anwendungen und Praxisbeispiele von dezentralen IT-Lösungen, insbesondere im Finanzsektor, nehmen stark zu und konnten bereits hohe Investitionssummen für sich gewinnen.

Angriff ist die beste Verteidigung

Um sich nicht von FinTechs vereinnahmen zu lassen, sind die Banken gezwungen, proaktiv auf den durch Digitalisierung hervorgerufenen Strukturwandel einzugehen und dezentrale IT-Lösungen für ihr eigenes Geschäftsmodell zu schaffen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, schmerzhafte Einschnitte hinzunehmen und Geschäftsprozesse zu automatisieren. Viele Großbanken sind sich dessen bewusst und haben sich zu einem Bankenkonsortium zusammengeschlossen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wird gemeinsam an dezentralen IT-Lösungen gearbeitet, um beispielsweise den Wertpapierhandel oder den Zahlungsverkehr effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Die Bereitschaft vieler Banken, mit konkurrierenden Instituten zu kooperieren, zeigt die Dringlichkeit, zeitnah Innovationen hervorzubringen, um sich gegen die immer größer werdende FinTech-Szene zu behaupten. Genau diese Offenheit ist notwendig, damit neue wettbewerbsfähige Bankingkonzepte entstehen. Innovation Hubs können helfen, den notwendigen Austausch und Wissenstransfer zu gewährleisten sowie Raum für Ideen zu schaffen.

Gleichzeitig müssen die Kundenbeziehungen in neue digitale Konzepte transformiert werden, indem das Wissen über die Kunden analysiert und verknüpft wird. Banken müssen begreifen, dass Kundendaten kein Nebenprodukt sind, sondern im Mittelpunkt eines jeden digitalen Geschäftsmodells stehen – FinTechs haben den Wert des Datenmanagements längst erkannt.

Durch die Auswertung von Kundendaten können Verhaltensmuster sowie Präferenzen bestimmt und in der Kundenberatung für den Vertrieb genutzt werden – eine Möglichkeit, die längst noch nicht ausreichend von den Banken genutzt wird.

Eine effiziente Umsetzung der Unternehmensziele und der digitalen Transformation ist allerdings nur möglich, wenn die jeweilige IT-Abteilung in die strategische Planung der Bank einbezogen wird und über ausreichende Kapazitäten verfügt. Diese neue Schwerpunktsetzung ist notwendig, um Prozessstabilität und IT-Sicherheit auf der einen und Flexibilität sowie Umsetzungsgeschwindigkeit auf der anderen Seite zu ermöglichen.

Für die Banken ist es fünf vor zwölf, um die notwendigen Grundvoraussetzungen und IT-Infrastrukturen für die Zukunft zu schaffen, da andernfalls bestehende Marktanteile sukzessiv auf neue innovative FinTechs übergehen werden. Ohne die Bereitschaft, das digital Mögliche nicht nur zu denken, sondern auch mit all den damit verbundenen Risiken umzusetzen, wird es langfristig sehr düster für die Bankenwelt aussehen.

Sprechen Sie uns gerne an!

Sven Wagenknecht

Chefredakteur

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