(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Absatz 2 könnte man dahingehend auslegen, dass der sagenumwobene Zeugniscode unzulässig sei. Dass das nicht so ist, werden wir noch zeigen. Aus § 109 GewO geht zunächst ein unabdingbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses hervor, nachdem das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Für das Zwischenzeugnis gilt ein solcher genereller Anspruch nicht, wenngleich im alltäglichen Diskurs oft anderslautende Aussagen getroffen werden.
Für das Zwischenzeugnis fehlt eine eindeutige Norm. In der Rechtsprechung wird der Anspruch auf ein Zwischenzeugnis allerdings regelmäßig dann bejaht,
- wenn eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, eine Versetzung oder eine Betriebsänderung ansteht,
- wenn die Probezeit beendet wird,
- wenn der Arbeitnehmer für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen ein Arbeitszeugnis benötigt,
- wenn die Führungskraft des Arbeitnehmers wechselt oder das Unternehmen verlässt,
- wenn der Arbeitnehmer für einen Kreditantrag ein Arbeitszeugnis benötigt oder
- wenn der Arbeitnehmer Elternzeit in Anspruch nehmen will.
Ein Zwischenzeugnis kann durchaus Einfluss auf das Arbeitszeugnis nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben. Nach herrschender Meinung hat das Zwischenzeugnis eine nennenswerte „Indizwirkung“ auf das Abschlusszeugnis, es führt zu einer „gewissen Selbstbindung des Arbeitgebers“.[1] Weichen Zwischen- und Endzeugnis deutlich voneinander ab, muss der Arbeitgeber plausibel darlegen können, worauf diese Abweichungen basieren.
Eine grundsätzliche Beweislast trifft den Arbeitgeber auch in Bezug auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterlagen. Das mag aus der Perspektive eines interessierten Laien zunächst befremdlich wirken, da das Zivilrecht ja grundsätzlich die Beweislast desjenigen vorsieht, der etwas vom Vertragspartner einfordert. Bei der Zeugniserteilung liegt der Fall allerdings etwas anders, auch dann, wenn der Arbeitnehmer ein (richtiges) Zeugnis einklagt. In diesem Fall macht der Arbeitnehmer nämlich „einen Erfüllungsanspruch auf Erteilung eines richtigen Zeugnisses geltend“. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber muss die Vollständigkeit und Richtigkeit der in einem Zeugnis niedergelegten Aussagen beweisen können.[2]
Die Korrekturmöglichkeiten seitens des Arbeitnehmers haben aber Grenzen. Ein Arbeitszeugnis muss wahr und wohlwollend sein; es darf das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren.[3] Über dem Postulat des Wohlwollens steht aber das Wahrheitsgebot. Das Arbeitszeugnis kann nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.[4] Leistungs- oder Verhaltensbeurteilungen, die nicht der Wahrheit entsprechen, können also nicht mit Verweis auf das Postulat des Wohlwollens erzwungen werden.
Aus dem unabdingbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines korrekten Arbeitszeugnisses folgt im Übrigen auch, dass der Arbeitgeber nicht damit drohen darf, den Inhalt des Zeugnisses vom Wohlverhalten oder gar von der Kündigungsbereitschaft des Mitarbeiters abhängig zu machen. Je nach konkreter Sachlage können „Vereinbarungen“ auf dieser Basis für sittenwidrig und damit für unwirksam erklärt werden; sie können den Tatbestand des Mobbings erfüllen und Schadenersatzansprüche rechtfertigen.[5] Vor einer doppelten Buchführung in Sachen Zeugnistext oder -qualität kann also nur gewarnt werden.
Inhalte und Gestaltungsprinzipien
Ein Arbeitszeugnis muss in gehöriger Form erstellt worden sein.[6] Das heißt, es muss auf dem offiziellen Geschäftspapier des Arbeitgebers angefertigt werden, darf keine Verschmutzungen oder Beschädigungen, Streichungen oder Radierungen aufweisen und muss in einem fehlerfreien Deutsch abgefasst sein. Dass schon allein die äußere Form immer wieder Anlass zu gerichtlichen Auseinandersetzungen bietet, zeigt beispielsweise das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.1999:
Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, z. B. durch Schwärzungen.[7]
Auch Formulierungen und Schreibfehler führen immer wieder zu juristischen Kontroversen. Besonders prominent wurde ein Fall, in dem es um die richtige Schreibweise des Adjektivs „integer“ ging. Die Klage der ehemals Beschäftigten, die auf eine aus ihrer Sicht richtige Schreibweise gedrungen hatte, wurde vom Arbeitsgericht Düsseldorf mit den Worten abgewiesen:
Solange der Arbeitgeber weder in Form noch Inhalt ein Zeugnis erteilt, das irgendwelche negativen Rückschlüsse auf den Arbeitnehmer zulässt, kann der Arbeitnehmer weder Änderung noch Berichtigung verlangen. Es ist nicht erkennbar, dass die hier von der Beklagten gewählte Schreibweise irgendwelche negativen Folgen für die Klägerin haben könnte.[8]
Ebenso bedeutsam wie die Form des Arbeitszeugnisses ist dessen Inhalt: Es ist unstrittig, dass es vollständige und richtige Angaben zu Leistung und Verhalten („Führung“) des Arbeitnehmers enthalten muss. Auch langjährige Arbeitsverhältnisse müssen im Grundsatz vollständig erfasst werden, wenngleich das zu hohem Aufwand auf Arbeitgeberseite führen kann. Unzureichend wäre ein Zeugnis, das sich z. B. nur auf die letzten zehn Beschäftigungsjahre bezöge.
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat 2000 aufgeführt, welche Aussagen ein vollständiges Zeugnis beinhalten sollte:[9]
Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis
- Arbeitsbereitschaft
- Arbeitsbefähigung
- Fachwissen
- Arbeitsweise
- Arbeitsergebnisse
- Zusammenfassende Leistungsbeurteilung
Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis
- Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen
- Verhalten gegenüber Dritten
Schlussabschnitt im Arbeitszeugnis
- Beendigungsmodalität
- Dankes-Bedauern-Formel
- Zukunftswünsche
Konkrete Beendigungsgründe dürfen nur auf Wunsch des Arbeitnehmers erwähnt werden.[10] Beförderungen, Eingruppierung, Verbesserungsvorschläge (und deren Umsetzung) sowie Weiterbildungen sind – auf Wunsch des Arbeitnehmers – zu integrieren. Nicht in ein Arbeitszeugnis gehören Angaben zu Betriebsrats- oder Aufsichtsratstätigkeiten[11], zur religiösen, politischen oder sexuellen Orientierung, zu Mutterschutz, Elternzeit oder Schwangerschaft, Krankheiten, Drogen- oder Alkoholmissbrauch.
Das steht zum Teil in Widerspruch zur betrieblichen Praxis, da der Zeugniscode mit Ausdrücken wie „gesellig“, „einfühlsam“ oder „tolerant“ durchaus Attribute zur Beschreibung von Alkoholismus und anderen betrieblich unerwünschten Verhaltensweisen bereitstellt. Prinzipiell sind solche Angaben auszuschließen, in Ausnahmefällen, beispielsweise bei Kraftfahrern und nennenswerten strafrechtlichen Folgen, kann davon abgewichen werden, allerdings nicht in kodierter Form.
Ein Arbeitszeugnis muss alle wesentlichen Aufgaben, Tätigkeiten und Leistungen des Arbeitnehmers würdigen. Einen Fall beredten Schweigens stellt es dar, wenn der Arbeitgeber Angaben zu Leistungen oder Verhaltensweisen auslässt, obwohl diese Angaben branchen- oder funktionstypisch wären. Unterlässt der Arbeitgeber bei einer Kassiererin eine Angabe zur „Ehrlichkeit“, kann das eine negative Bewertung, nämlich den Hinweis auf die Unehrlichkeit der Kassiererin implizieren. Das Bundesarbeitsgericht sieht in einer solchen Form des beredten Schweigens allerdings einen Verstoß gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit.[12]
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Der Zeugniscode
Das beredte Schweigen gehört schon zum Zeugniscode[13]. „Sagenumwoben“ hatten wir ihn oben genannt. Und das ist wohl auch zutreffend. Zahlreiche Mythen, Irrtümer und Spekulationen ranken sich darum. So soll es Zeichen in der Unterschrift geben, die auf die Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas, zu den Scientologen, zu politischen Parteien oder Gewerkschaften hinweisen usw. Manch steile These hat deutlich mehr mit einer übersteigerten Angst vor einem geheimnisvollen Code zu tun als mit der Realität. Die Existenz des Zeugniscodes ist unbestritten, und auch die Arbeitsgerichte haben inzwischen ihren Frieden damit geschlossen – bisweilen etwas zähneknirschend.
Dabei muss sich der Zeugnisaussteller gar nicht unbedingt des Zeugniscodes bedienen, seine Verwendung ist freiwillig: Dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, wie er das Zeugnis formuliert.[14] Wenn er allerdings den Zeugniscode wählt, ist er an die sich daraus ergebenden Gepflogenheiten gebunden.[15] Inzwischen gibt es ein halboffizielles Inventar an Formulierungen, das auch die sprachlich haarsträubende „vollste Zufriedenheit“ beinhaltet (s. Abb. 1).
Formulierungen, die – in welcher sprachlichen Ausprägung auch immer – ein Versuchen oder Kennenlernen des Arbeitnehmers anzeigen, bezeichnen in aller Regel deutlich unterdurchschnittliche Leistungen. Sie drücken nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamm das Fehlen der im Kontext erforderlichen Kenntnisse oder Fähigkeiten aus.[16] Gemeint sind Formulierungen wie die Folgenden:
„Er hatte Gelegenheit, seine Aufgaben kennenzulernen und machte Vorschläge zu ihrer Bewältigung.“[17]
oder
„Er erfasste das Wesentliche und bemühte sich um sinnvolle Lösungen.“[18]
Aber auch Aussagen wie „Ihm oblag die Erstellung der Jahresabschlüsse.“[19] sind ohne weitere qualifizierende Leistungsbewertung als negative Beurteilung zu werten.
Ironische Formulierungen oder unerwartete Satzzeichen (insbesondere Ausrufezeichen) können ebenfalls eine negative Bewertung kennzeichnen, entsprechen aber nicht den formalen Anforderungen an ein korrektes Arbeitszeugnis. Formale oder inhaltliche Auffälligkeiten können ein Indiz für eine kodierte Negativaussage sein. Gleichwohl ist Paranoia fehl am Platz. Bei der Erstellung und Begutachtung eines Arbeitszeugnisses ist der Gesamtzusammenhang wesentlich. Einzelne Aussagen sind immer mit Blick auf den Kontext zu würdigen.[20]
Ein zusätzlicher Indikator ist die Länge des gesamten Zeugnisses und der Schlussformel. Wenn der Ersteller des Zeugnisses sehr ausführlich und umfassend formuliert hat, darf das im Grundsatz als Ausdruck großer Wertschätzung gesehen werden – mit ungeliebten Arbeitnehmern wird sich kein Arbeitgeber im Nachhinein noch über Gebühr schriftlich beschäftigen wollen. Prinzipiell gilt: Je ausführlicher die Schlussformel, desto besser der Mitarbeiter.
Der Arbeitnehmer kann gerichtlich auf Korrektur oder Ergänzung seines Arbeitszeugnisses dringen. Entsprechende Anträge haben dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Arbeitgeber die Wahrheits- und Wohlwollensgebote nicht beachtet hat. Zur Anfertigung eines rechtssicheren Arbeitszeugnisses ist ein gerüttet Maß an Sorgfalt erforderlich. Hilfreich können da vorkonfektionierte Textbausteine sein, die schriftlich oder technologieunterstützt (von einzelnen Anbietern) zur Verfügung gestellt werden. Dabei ist auf die Aktualität der Zeugnissteller zu achten, um keine relevanten Entwicklungen in der Rechtsfortbildung zu verpassen.