Hallo Andreas, du warst jahrelang professioneller Fußballspieler für Hertha BSC. Viele Fußballer werden TV-Experten oder Trainer. Was hat dich in die Welt der Finanzberatung gebracht?
Im Prinzip haben mich verschiedene Gründe in die Finanzberatung geführt. Es war für mich bereits früh klar, dass ich nach meiner Aktivkarriere in die Finanzwelt eintauchen will. Deshalb habe ich bereits im Alter von 22 Jahren neben dem Fußball noch BWL, mit der Vertiefung im Bankwesen, studiert.
Ein zweiter wichtiger Grund war meine Familie. Mir ist es wichtig, dass ich meinen beiden Töchtern beim Aufwachsen zusehen und viel Zeit mit ihnen verbringen kann. Hätte ich nach meiner Karriere weiter im Fußballbusiness gearbeitet, wäre ich 24 Stunden, 7 Tage die Woche mit dem Job beschäftigt gewesen und das wollte ich nicht.
Du hast parallel zum Training, den Spielen und Turnieren gelernt. Wie groß war diese Herausforderung?
Zwischen den Spielen hat man grundsätzlich genügend Zeit um für ein Studium zu Lernen. Jedoch werden die Pausen zwischen zwei Spielen nicht nur zur physischen Regeneration genutzt, sondern sie werden auch benötigt, um mental wieder fit zu werden. Da kann das Lernen eine zusätzliche Belastung darstellen. Besonders wenn es bei der Mannschaft nicht so gut lief, war es schwierig nebenbei noch die Motivation fürs Lernen zu finden. Aber ich habe stets versucht das Studium nicht als zusätzliche Belastung, sondern als Ausgleich zum Fußballtraining anzusehen.
Bei der wevest bist du heute als Head of Research beschäftigt. Welche Aufgaben nimmst Du wahr?
Meine Kollegen bezeichnen mich gerne als Trüffelschwein. Ich habe unheimlich viel Spaß daran, unter den tausenden von Unternehmen diejenigen herauszusuchen, die aus meiner Sicht ganz besondere Chancen bieten. Das heißt für mich, nach Informationen suchen die teilweise tief in Geschäftsberichten versteckt liegen oder rechtlichen Einflüssen unterliegen, die sich jedoch noch nicht in den Wertpapierkursen widerspiegeln. Wirklich gute Chancen zu erkennen ist sehr zeitaufwendig und wäre auch ohne meine Erfahrungen durch meine eigenen Investments in diesem Bereich auch gar nicht so erfolgreich. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele tolle Opportunitäten sich so immer wieder ergeben. Für vermögende Kunden bin ich zusätzlich als persönlicher Portfoliomanager direkter Ansprechpartner.
Siehst du in deiner Erfahrung als Fußballer Vorteile für deinen Job?
Definitiv! Die wertvollste Erfahrung, die ich mitnehmen kann, ist es, dass ich gelernt habe mit Druck umzugehen. Dies hilft mir nicht nur im beruflichen Alltag, sondern auch im Privaten stets weiter.
Die größte Gemeinsamkeit, die ich zwischen der Fußball- und der Finanzwelt sehe, ist dass man jederzeit eine Topleistung erbringen muss. Im Fußball kann man eine sehr gute Saison hingelegt haben, aber zu Beginn der neuen Spielzeit beginnen alle wieder bei 0 Punkten. Ähnlich verhält es sich bei der Vermögensverwaltung. Man kann in einem Jahr eine sehr gute Jahresrendite erzielt haben. Zu Beginn des neuen Jahres, starten jedoch alle wieder bei 0 und es gilt erneut, die Kunden mit einer guten Leistung zufriedenzustellen.
In beiden Bereichen muss man daher stets das Beste geben und kann sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.
Als Spieler warst du in der Defensive zu Hause. Wie sieht es bei der Geldanlage aus?
Auf den ersten Blick in mein Portfolio denkt man wahrscheinlich an volle Offensive, da es beinahe vollständig aus Aktien besteht. Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Titel erkennt man jedoch, dass es sich dabei um Aktien in Sondersituationen handelt. Diese Aktien unterliegen nicht den üblichen Marktschwankungen. Generell haben diese Titel eine geringe Volatilität. Deshalb würde ich meine Strategie als kontrollierte Offensive bezeichnen.
Andreas, mit digitalen Vermögensverwaltern entstehen aktuell neue Kräfte am Markt für private Geldanlage. Wie siehst du diese Entwicklung?
Gelassen. Neue Technologien haben das großes Potential die klassische Vermögensverwaltung einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Durch Automatisierung vieler Prozesse können signifikante Kostenreduktionen realisiert werden, von denen im Optimalfall direkt der Kunde profitiert. Mit niedrigeren Mindestanlagesummen haben nun auch weniger vermögende Privatanleger die Chance ihr Geld am Kapitalmarkt unter professioneller Aufsicht anzulegen. Unter Berücksichtigung der aktuellen 0-Zins Politik bei Sparbüchern und Tagesgeldkonten ein großer Schritt nach vorne.
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Brauchen wir überhaupt noch menschliche Berater?
Aus eigener Erfahrung kann ich diese Frage klar bejahen. Insbesondere private Anleger, die im siebenstelligen Bereich investieren erwarten einen persönlichen Ansprechpartner, mit denen Sie eine maßgeschneiderte Finanzplanung ausarbeiten können. Diesen Bedarf sehe ich aus eigener Erfahrung heraus vor allem bei Profi-Sportlern, die innerhalb eines begrenzten Zeitraums von 10-15 Jahren einen Großteil ihres Vermögens verdienen und eine individuelle Strategie benötigen.
Außerdem mangelt es vielen Anbietern heutzutage noch an einer ausreichenden Transparenz über eingesetzte Technologien oder Investment-Algorithmen. Eine Minderheit der privaten Anleger wird beispielsweise etwas über das VaR-Modell kennen. Und was der Mensch nicht kennt, dem vertraut er nicht.
Siehst du hier Parallelen zum Fußball?
Absolut. Auch beim Fußball spielt Innovation in der Ausrüstung der Spieler eine maßgebliche Rolle für nachhaltigen Erfolg. Bis zu einem gewissen Punkt tragen neue Schuhe oder moderne Trainingsgeräte zu einer positiven Entwicklung bei – der maßgebliche Faktor bleibt jedoch die Fähigkeit der einzelnen Spieler. Diese schafft Vertrauen bei Fans und Investoren.
Ähnlich wie beim Fußball wird sich das Vertrauen in digitale Vermögensverwalter mit der Zeit entwickeln. Aktuell ist der Markt noch zu jung und es existieren noch keine nennenswerten Erfahrungswerte. Ein Lionel Messi hat sich über Jahre hinweg zum herausragenden Fußballer entwickelt. Der anfängliche Hype hat sich bestätigt und unabhängig von seinen Leistungsschwankungen vertrauen im Fans und Fußball-Experten heute.
Eine Antwort auf “Interview mit Andreas Schmidt zur privaten Geldanlage”
Franziska Koers
Sehr interessanter Artikel! Insbesondere der Vergleich mit dem Fußball ist überaus elegant gelungen.