Libra und Compliance – war da nicht was?

Facebook hat kürzlich angekündigt, eine eigene Kryptowährung namens Libra zu entwickeln und international einzuführen. Im immer noch anhaltenden Kryptohype wird dieser Initiative hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Wie steht es um die Einhaltung von Compliance-Vorschriften? In diesem Artikel werden wir der Frage nachgehen, ob Libra im Kontext der aktuell geltenden Regulatorik tatsächlich eine Chance hat, ein Erfolg zu werden.

Compliance-Überlegungen: Geldwäsche, Sanktionen, Betrug & Co

Am Zahlungsverkehr und Einlagengeschäft beteiligte Finanzinstitute müssen zahlreiche Vorschriften einhalten. Zunächst müssen Kunden, die Geldmittel halten und Zahlungen ausführen können, entweder persönlich oder im Rahmen elektronischer Legitimationsverfahren (z. B. VideoIdent) eindeutig identifiziert werden.

Bei Firmen müssen drüber hinaus die wirtschaftlich Berechtigten identifiziert und überprüft werden. Des Weiteren müssen Herkunft der Mittel sowie alle Geldtransfers auf zum Beispiel Geldwäscheverdacht und Einhaltung von Finanzsanktionen geprüft werden. Die in den einzelnen Ländern geltenden lokalen Compliance-Vorschriften leiten sich vielfach von internationalen Regularien ab (z. B. FATF, EU-Geldwäscherichtlinien), welche aber in verschiedenen Ausprägungen in den nationalen Gesetzgebungen in Kraft gesetzt werden.

Es ist kaum anzunehmen, dass die nationalen Regulierungsbehörden Ausnahmen für Geldüberweisungen und Zahlungsverkehr unter Nutzung von Libra machen werden. Banken sehen sich in letzter Zeit sogar mit einer zunehmenden Regulierung im Zusammenhang mit KYC (Know-your-Customer), Geldwäsche, Finanzsanktionen und Betrugsbekämpfung konfrontiert und müssen teils empfindliche Strafzahlungen leisten, wenn keine angemessene Sorgfalt angewendet wird.

Compliance-Überlegungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen sind freilich nicht neu. Auch Kryptobörsen müssen bereits den einschlägigen Vorschriften entsprechen. Bestehende Kryptowährungen werden von den Regulierungsbehörden jedoch bislang vor allem als Anlagegüter verstanden, die über FIAT-Währungen gekauft und verkauft werden können und noch kaum dem Zahlungsverkehr im engeren Sinne dienen.

Im Gegensatz dazu soll nach dem derzeitigen Verständnis Libra jedoch hauptsächlich für Zahlungen verwendet werden. Ohne entsprechende Aufsicht und Sorgfalt könnten so Terroristengruppen international Geldmittel für Waffeneinkäufe und Anschläge transferieren. Das organisierte Verbrechen erhielte die Möglichkeit, im Rahmen von kriminellen Handlungen eingenommene Gelder verhältnismäßig leicht reinzuwaschen.

Aktuell mit Finanzsanktionen belegte Länder wie Nordkorea oder Iran könnten fast uneingeschränkt wieder am internationalen Zahlungsverkehr teilnehmen. Mit mehr als zwei Milliarden aktiven Facebook-Nutzern könnte eine enorme Menge an Transaktionen entstehen, die überwacht und nachverfolgt werden müssen.

Implikationen für Libra

So ist es bemerkenswert, dass solche Compliance-Überlegungen von Facebook scheinbar bislang kaum adressiert wurden, was wohl einer der Gründe dafür ist, warum Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt alarmiert sind.

In der Realität wird jeder Inhaber eines Libra-Wallet elektronisch legitimiert werden müssen. Die Verfügbarkeit und rechtliche Zulässigkeit entsprechender Verfahren und Technologien ist wiederum von Land zu Land unterschiedlich (teils sogar innerhalb der Europäischen Union). Wenn die entsprechenden Prüfungen und Sorgfaltspflichten unabhängig vom bestehenden Bankensystem sichergestellt werden sollen, müsste Libra selbst diese Aufgabe zentral übernehmen.

Auch wenn die fortschrittlichsten Technologien zur Überwachung von Geldflüssen (einschließlich künstlicher Intelligenz) eingesetzt würden, gäbe es immer noch eine enorme Menge von False Positives, die manuell überprüft werden müssten und Zigtausende von Mitarbeitern erfordern würden. Und selbst wenn Libra in der Lage sein wird, die Komplexität unterschiedlicher nationaler Vorschriften zu überwinden, kann die Einhaltung von Compliance-Vorschriften so aus wirtschaftlicher Sicht eine signifikante Herausforderung für das Libra-Konsortium und Facebook darstellen.

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Andreas Sumper / Autor BankingHub

Mag. Dr. Andreas Sumper

Partner Office Wien

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