Lücke zwischen Personalgewinnung und Personalbindung
Projekterfahrungen zeigen, dass Banken ihren Schwerpunkt aktuell auf das Recruiting, bestenfalls weiter gefasst auf die Personalgewinnung, legen. Prozesse werden optimiert, Arbeitgebermarken aufpoliert. Gleichzeitig ist feststellbar: Während die Unternehmen der Finanzdienstleistung in der Vergangenheit traditionell eher über eine zu niedrige Fluktuation durch Arbeitnehmerkündigungen klagten, steigt diese inzwischen in vielen Häusern gerade sprunghaft an. Verdoppelungen sind derzeit keine Seltenheit.
Mehrere Aspekte fallen dabei besonders auf: Vor dem Hintergrund der zunehmenden Fluktuation und des sinkenden Angebots an Arbeitskräften wird die Personalgewinnung schon unter bisherigen Rahmenbedingungen kaum in der Lage sein, den sich beschleunigenden Abfluss an Kapazitäten vollständig auszugleichen. Darüber hinaus wird in der Optimierung der Personalgewinnung oft zu kurz gedacht. Vielfach enden die Überlegungen mit Vertragsschluss, spätestens jedoch mit dem ersten Arbeitstag. Personalbindung wirkt aber deutlich später, sodass in den Konzepten oftmals eine Lücke zwischen Personalgewinnung und -bindung entsteht – mit den entsprechenden Folgen.
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Die „illoyale“ Generation Z: Wege zur erfolgreichen Mitarbeiterbindung
Die Gesamtsituation wird durch das Selbstverständnis der nachrückenden Generation Z deutlich verschärft. Nach einer aktuellen forsa-Studie machen sich „dank des Fachkräftemangels“ 65 Prozent dieser Altersgruppe keine Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Gleichzeitig steigt die Wechselbereitschaft. Rund jede:r siebte Arbeitnehmende der Generation Z ist aktuell aktiv auf Jobsuche. Der SPIEGEL schreibt daher am 13. April 2023: „Generation Z sind die ‚illoyalsten Jobber aller Zeiten‘“.
In laufenden Projekten in der Finanzdienstleistung messen wir aktuell Fluktuationsraten von 12 bis 15 Prozent in der Gruppe der Mitarbeitenden mit bis zu vier Jahren Betriebszugehörigkeit. In den nächsten Jahren überlagern sich nun zwei Entwicklungen: Zunächst muss ein hoher Anteil der Mitarbeitenden demografiebedingt ersetzt werden, sodass die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit drastisch sinken wird. Darüber hinaus wird „der Ersatz“ absehbar deutlich weniger Bindung zum Arbeitgeber aufbauen.
Finanzdienstleister, die glauben, sie könnten dieses Problem (allein) durch die Optimierung der Personalgewinnung lösen, werden daher scheitern.
Optimierung des Onboardings bei Banken
Vielfach umgangen wird die Optimierung des Onboardings. Die Ergebnisse eines professionellen Onboardings sind im Zeitverlauf exzellent messbar. Aber: Die Vielzahl der Beteiligten lässt diesen Prozess zum heißen Eisen werden. Fachbereich, IT und HR sowie oftmals weitere Bereiche müssen wie ein Uhrwerk ineinandergreifen. Und wer will die Verantwortung übernehmen, wenn man nicht über den Prozess entscheiden kann?
Onboarding und damit die erste Stufe der Verankerung neuer Mitarbeitender in der Unternehmenskultur bleibt daher oftmals Stückwerk mit fatalen Folgen. Nach aktuellen Auswertungen von zeb liegen die mittleren Kosten einer Stellenbesetzung in der Finanzdienstleistung unter Berücksichtigung alle begleitenden Effekte bei rund 46.000 Euro. Wer Onboarding nicht hochprofessionell regelt und damit eindeutige Prozessverantwortlichkeiten festschreibt, schafft nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die Mitarbeiterbindung und belastet damit letztlich das Unternehmensergebnis.
Wirkungshebel der emotionalen Bindung
Das Gehalt ist nach aktuellen Studien unverändert stärkster Auslöser für Kündigungen. Aber: Nach dem aktuellen Gallup Engagement Index sind 22 Prozent der Arbeitnehmenden mit hoher emotionaler Bindung zum Arbeitgeber wechselbereit. Gleichzeitig steigt die Wechselbereitschaft bei geringer oder vollständig fehlender emotionaler Bindung zum Unternehmen in Richtung 50 Prozent!
Vor dem Hintergrund der Kosten einer Stellennachbesetzung und des Wirkungshebels der emotionalen Bindung lohnt es sich also offensichtlich, die Mitarbeiterbindung in den Fokus zu stellen. Die Herausforderung besteht dabei darin, „vor die Welle“ zu kommen, also ein möglichst tiefgehendes Verständnis der Abwanderungsgründe zu schaffen und daraus möglichst gezielte Maßnahmen abzuleiten. Fünf Fragen stehen dabei im Fokus:
Denn: Die Bindung der Mitarbeitenden wird nach aktuellem Stand der Wissenschaft durch vielfältige Konzepte, Maßnahmen und Verhaltensweisen beeinflusst. Alles anzugehen wäre in der Komplexität kaum steuerbar und wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Es gibt also unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht die eine Lösung oder den einen Weg, sondern jedes Unternehmen muss sehr genau und vorausschauend analysieren, welche Hebel angesetzt werden sollten, um die Bindung der Mitarbeitenden zu steigern. Obstkorb und Kicker werden zumindest kaum ausreichen:
Programme zur Mitarbeiterbindung sind zwingend erforderlich
Vor dem Hintergrund der dargestellten zukünftigen Entwicklungen sind Programme zur Bindung der Mitarbeitenden keine Option für Banken, sondern zwingend erforderlich. Die Herausforderung ist, diese Programme beherrschbar bis steuerbar zu machen.
Nach breiter zeb-Projekterfahrung setzen daher insbesondere Programme zur Mitarbeiterbindung eine gründliche Analyse voraus, um Schwerpunkte setzen und anschließend Ergebniswirkungen messen zu können. Auf diese Weise gelingt es schrittweise, „vor die Welle“ zu kommen und dabei die Organisation nicht zu überfordern.
Neben einer kontinuierlichen Messung der Wirkung einzelner Maßnahmen erfordert dieses Vorgehen Zeit. Denn Organisationen haben ein Trägheitsmoment. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des SPIEGELs sowie der forsa-Studie sollten Unternehmen, die heute noch nicht intensiv an ihrer Mitarbeiterbindung arbeiten, sehr zeitnah in dieses Thema einsteigen.